„Ich habe nicht mit so vielen Leuten gerechnet“, ist Valerie Börner begeistert. Als wissenschaftliche Hilfskraft an der Seite von Maren Schuster, die an der Universität Halle lehrt und gleichzeitig das Projekt „Stadtklima Halle“ leitet, hatte sie die Idee für die Filmreihe. Scheinbar ein Treffer: „Der Saal war voll. Das müssen etwas über 100 Leute gewesen sein“, stimmt Schuster zu während sie die Sitzreihen im Puschkino zählt.
Publikumsattraktion am Mittwochabend war der Film „Bitteres aus Bitterfeld“, ein heimlich in der DDR gedrehter Dokumentarfilm über die Umweltverschmutzung rund um das dortige Chemiekombinat.
Der Regisseur, Ulrich Neumann, stand nach der Vorführung zum Gespräch bereit und erzählte von den Risiken, die man für den Dreh eingegangen war. „Umweltdaten waren in der DDR Verschlusssache“, erklärt er. Wären die Filmenden entdeckt worden, hätten sie mit Freiheitsstrafe rechnen müssen. „Wir wären nicht unter zehn Jahren weggekommen“, ist sich Neumann sicher. Maren Schuster will diesen Einsatz hochhalten: „Heute gibt es Fridays for Future, aber wir wollen auch würdigen, dass sich im 20. Jahrhundert schon Leute für Klimaschutz eingesetzt haben.“
Die Filmvorführung ist ein Teil des Projekts „Stadtklima Halle“ und der erste von drei Terminen. Schon vor einigen Monaten wurde in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum die Ausstellung „Hallmarkt der Zukunft“ erarbeitet. Sie verbindet mithilfe der Augmented-Reality-Technik (AR) die reale mit einer computergenerierten Welt und zeigt so, wie der Ort in Zukunft aussehen könnte. (Die MZ berichtete.) Es sei ein Erlebnis und „nicht noch eine polarisierende Veranstaltung“, meint die Projektleiterin.
„Zentrales Anliegen von Stadtklima Halle ist, die Generationen in den Dialog zu bringen“, erzählt sie. Auch Ulrich Neumann war beeindruckt: „Ich freue mich über das rege Interesse und auch dass so viele junge Leute dabei sind“.
Ein Besucher berichtet von 30 Jahren in Bitterfeld: „Die Bilder sind authentisch, fast war es noch schlimmer. Das kann sich heute keiner mehr vorstellen.“ Einige Leute schütteln ungläubig den Kopf. Der Dialog gelingt.
Auch die folgenden Termine laden wieder zum Generationenaustausch im Puschkino ein: Am 16. November wird „Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution“ gezeigt. Im Film geht es um Umweltaktivismus im Visier der Stasi. Anschließend gibt es ein Nachgespräch mit dem Autor Peter Wensierski. Am 07. Dezember ist „Der geteilte Himmel“ nach dem in der DDR erschienenen Roman von Christa Wolf zu sehen. Mehr Informationen zum Projekt „Stadtklima Halle“ sind auf der Internetseite des Stadtmuseums zu finden.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung/Clara Geilen, 27.10.2022
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