Sommer. Plötzlich ist alles Ordnung. Nicht grundlos ist „Summertime“ einer meiner Lieblingsjazzklassiker. Es ist gefühlt 24/7 hell. Warum nicht nachts einen Spaziergang durch die Stadt machen? Ich überlebe den Winter zwar jedes Jahr, aber im Sommer verfliegen alle Zweifel, Sorgen und der alteingesessene Weltschmerz. Ich mag Kleider, luftige Hosen, Sonnenbrillen und lächelnde FußgängerInnen. Wer mich lächelnd durch Halle gehen sieht, weiß: Es ist Sommer.
Wenn ich darüber nachdenke
...was mich glücklich macht, muss ich schmunzeln: Major-7-Akkorde, Mangos aus dem Garten meiner Oma, mein aktuelles Lieblingslied, wenn meine Locken schön aussehen, Familienfeste, alte Fotos und Videos, der Geschmack von Wasser bei großem Durst, Reisen mit den Besten, Pommes, WLAN, Schlaf, wenn andere glücklich sind, makelloser Nagellack, Smoothies, wenn Fremde zurücklächeln, Ordnung, gute Live Bands, Ferien, mein Bankkonto am Anfang des Monats, Nachhause kommen…Sommer. Ich liebe dieses Gefühl, morgens die Vorhänge zu öffnen und den Tag mit Sonnenschein zu starten. Die Straßen sind belebt, die Cafés voll, Markt- und August-Bebel-Platz quirlig. Du schwitzt? Keine Sorge, die anderen auch.
Ich beginne meinen perfekten Sommertag mit einem Morgenspaziergang Richtung Ziegelwiese. Ich bin so dankbar für das viele Grün. Schon der Weg zur Peißnitz macht meinen Kopf frei. Die motivierte Portion der Hallenser Bevölkerung joggt, die rot-weiße Straßenbahn rast an mir vorbei. SchülerInnen rennen in Grüppchen zum Unterricht, ältere Paare machen Arm in Arm ihr Ründchen und ich grinse wie auf Drogen allen ins Gesicht. Auf dem Fontäne-Teich genießen die Schwäne und Enten ihre Ruhe. Ich treffe zufällig eine Freundin, die zum Glück genauso gut gelaunt ist wie ich. Während wir Richtung Uniplatz gehen, bringen wir uns auf den neuesten Stand, was unser mäßig aufregendes Leben angeht. Die bunten Früchte der Obst- und Gemüsehändler auf der Geist- und Großen Ulrichstraße sehen verlockend aus. Wir holen uns beim 7 Gramm einen Iced Latte mit Hafermilch und setzen uns auf die Treppen vorm Juridicum. Koffein vertrage ich eigentlich nicht so gut, aber hey, es ist Sommer. Am Nachmittag fahre ich mit einer anderen Freundin auf der Saale Tretboot. Es ist so schön, auf das glitzernde Wasser zu gucken, die Sonne auf der in Sonnencreme gebadeten Haut zu spüren, die spielenden Kinder und plantschenden Erwachsenen am Ufer zu beobachten und gleichzeitig schon fast tranceartig in gleichbleibendem Rhythmus vor sich hinzutreten. Pures Urlaubsfeeling. Und das mitten in der Stadt, mitten im Nicht-Urlaub. Ich kann mich nicht beschweren.
Zuhause
Für viele ein normales und unspektakuläres Wort, für mich aber schon fast mysteriös. Wenn man in eine neue Stadt zieht und neue Leute kennenlernt, ist eine der vielen Standardfragen: Wo kommst du her? Als ich neu in Halle war und mir fast täglich diese Frage gestellt wurde, fing ich an, mich intensiver mit ihr auseinanderzusetzen. Ich bin kein Fan davon, Fremden meine ganze Lebensgeschichte zu erzählen, aber ich finde es schwierig, Zuhause auf einen Ort zu reduzieren und wenn man bei der Beantwortung dieser vermeintlich simplen Frage zögert, stürmen auch schon die nächsten Fragen ein. In Halle habe ich mich zum ersten Mal so richtig zu Hause gefühlt, als ich zum ersten Mal mit Freunden auf der Peißnitz gepicknickt, alle meine Verpflichtungen vergessen habe und faul rumlag. Unter mir eine bunte Picknickdecke, über mir ein wolkenfreier blauer Himmel und neben mir die Saale. Gewässer machen Menschen einfach glücklich. Es gibt diverse Studien, die das beweisen, und ich habe es so oft schon bei mir selbst beobachtet. Was wäre diese Stadt ohne ihren Fluss?
Aber genug vom Wasser, wir sind hier nicht bei H2O - Plötzlich Meerjungfrau.
Abends gehe ich mit einem Freund ins Viet Village. Wir laufen die von Bars übersäte kleine Ulrichstraße rauf und man fühlt sich wie in so einer richtigen Unistadt. Junge Leute, die trinken, rauchen, lachen und einfach jung und gut drauf sind. Vor allem nach mehreren Monaten tote Hose kann man bei allen, aber vor allem bei unserer Generation, im wahrsten Sinne des Wortes eine Katharsis beobachten.
Das Wetter lockt alle aus ihren Löchern. Nach fast vier Jahren Halle meinte ich, fast alle Gesichter zumindest einmal gesehen zu haben, aber jeden Sommer wirkt die Stadt voller denn je. Wie Peter Fox sagt, „Alles neu“.
Der Beitrag der Autorin Lena Maureen Quincke erschien am 27.07.2021 auf deinhalle.de
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