Wie erinnern wir uns 35 Jahre nach dem Mauerfall an das Ereignis? Können wir die Friedliche Revolution als sinnstiftend deuten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Ringvorlesung "Geschichtszeichen der Freiheit" an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) im Sommersemester 2024. Die Reihe eröffnet am Dienstag, 9. April 2024, 18 Uhr, Bundespräsident a.D. Joachim Gauck. Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, Carsten Schneider, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, und Rektorin Prof. Dr. Claudia Becker sprechen Grußworte. Die Reihe versteht sich auch als Beitrag der Wissenschaft auf dem Weg zum Zukunftszentrum in Halle.
Anlässlich der 35. Wiederkehr des Mauerfalls haben PD Dr. Constantin Plaul, Theologische Fakultät der MLU, und Dr. Karl Tetzlaff, Geschäftsführer der Stiftung Leucorea in Wittenberg, die Ringvorlesung "Geschichtszeichen der Freiheit. Deutungen der Friedlichen Revolution in der Gegenwart" konzipiert und organisiert. Der Titel der Reihe nimmt Bezug auf Immanuel Kant, der die Französische Revolution als ein "Geschichtszeichen" bezeichnete, weil sie die Hoffnung auf die prinzipielle Verbesserungsfähigkeit menschlicher Verhältnisse habe wecken können. Auch die Revolution 1989, so die Organisatoren der Ringvorlesung, erfülle geradezu idealtypisch die Bedingungen eines Geschichtszeichens im Sinne Kants: ein Wandel mit weltpolitischer Deutung, im Zuge dessen totalitäre Herrschaftsstrukturen überwunden und die Möglichkeit zu freieren Gesellschaften geschaffen wurde. Ziel des erinnernden Rückblickes sei es auch, ein Mittel gegen die lähmende Macht von Pessimismus und Resignation anzubieten.
Die Ringvorlesung ist in drei Teile gegliedert und präsentiert verschiedene Perspektiven aus Politik, Philosophie, Theologie, Geschichts- und Literaturwissenschaft sowie Publizistik und Literatur. Im ersten Teil blicken die Referentinnen und Referenten auf die geschichtsphilosophischen, ethischen und theologischen Grundlagen des Themas. Mit einer Podiumsdiskussion, die unterschiedliche, auch konfliktträchtige Narrative von 1989 beleuchtet, startet der zweite Teil der Ringvorlesung. In diesem werden die im ersten Teil vorgestellten Grundlagen auf das Jahr 1989 bezogen. Abschließend wird ein Ausblick in die Gegenwart gegeben.
Bis auf den ersten Vortrag, der im Freylinghausen-Saal des Hauptgebäudes der Franckeschen Stiftungen stattfinden wird, werden alle Vorträge immer dienstags um 18 Uhr im Hörsaal 1 der Theologischen Fakultät, Haus 30 in den Franckeschen Stiftungen, abgehalten. Zudem können alle im Livestream mitverfolgt werden unter: www.youtube.com/UniHalleMLU
Die Termine im Überblick:
Eröffnung am 9. April 2024, 18 Uhr
Joachim Gauck: "1989/90: Freiheit erringen, Freiheit gestalten"
Franckesche Stiftungen, Freylinghausen-Saal
Franckeplatz 1, 06110 Halle (Saale)
Teil 1: Allgemeine Grundlagen
• 16. April 2024: Birgit Recki: Die Französische Revolution als "Geschichtszeichen"? Über den Wert einer häufig übersehenen Kantischen Pointe
• 23. April 2024: Mareike Kajewski: Die Revolution als Erfahrung von Freiheit
• 30. April 2024: Jörg Dierken: Geschichtszeichen - eine religiöse Deutungsfigur?
• 7. Mai 2024: Friedhelm Hartenstein: Exodus - Ereignis, Erinnerung, Erwartung. Zur symbolischen Prägnanz der biblischen Befreiungserzählung
Teil 2: Die Anwendung auf 1989
• 14. Mai 2024: Podiumsdiskussion mit Impulsreferaten: 1989 im Deutungsstreit der Narrative
• 28. Mai 2024: Clemens Meyer: "Als wir träumten". Die Freiheit und ihre Folgen
• 4. Juni 2024: Rainer Eckert: Die Friedliche Revolution gegen die SED-Diktatur im Kontext deutscher Freiheits- und Revolutionsgeschichte
• 11. Juni 2024: Constantin Plaul & Karl Tetzlaff: Geschichtszeichen der Freiheit. 1989 als exemplarischer Bezugspunkt einer bürgerlichen Befreiungstheologie
Teil 3: Gegenwartsausblicke
• 18. Juni 2024: Stephan Wackwitz: Die "kleine Arbeit" der Freiheit. Philosophische Erfahrungen aus zwei Jahrzehnten in Osteuropa
• 25. Juni 2024: Marina Weisband: Revolution der Würde. Der Maidan und seine Folgen
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